Nanoskopische Systeme

Nanoteilchen bilden die Basis für neuartige, maßgeschneiderte Materialien. Die Projekte im Bereich »Nanoskopische Systeme« entwickeln Techniken, mit denen sich Nanoteilchen unterschiedlicher Größe untersuchen lassen. Zwei Projekte realisieren dies durch bestmögliche Trennung und gezielte Auswahl der Teilchen. In Berlin und Heidelberg werden dazu größere Nanoteilchen perlenschnurartig aufgereiht und einzeln belichtet. In Rostock werden kleinere Nanoteilchen gruppiert, um bessere Antwortsignale zu erhalten. An der TU Berlin wird eine Strahlteiler- und Verzögerungseinheit für den European XFEL entwickelt, um ultraschnelle Vorgänge zu untersuchen. Gruppen aus Freiburg und Berlin installieren eine Strahlteiler- und Verzögerungseinheit an FLASH und entwickeln ein Detektorsystem, mit dem sich erstmals lange »­Filme« von Nanoteilchen aufnehmen lassen.

 

Die Projekte

 

Über Puls-Umwege zur Superzeitlupe

Kein FEL pulst in dem Takt, der für Aufnahmen in Superzeitlupe nötig wäre. Eine Lösung sind Doppelpulse, die durch Verzögern je einer Einzelpulshälfte erzeugt werden.

Projektname: Split-and-Delay Instrument für die European XFEL Beamline Materials Imaging and Dynamics
Projektleitung: Stefan Eisebitt (TU Berlin)

Doppelpulse aus der Strahlung von Freie-Elektronen-Lasern sind der Schlüssel zur Erforschung ultraschneller physikalischer Vorgänge. Welche dynamischen Prozesse in nanoskopischen Systemen auf der weitgehend unerforschten Zeitskala von Femto- bis Pikosekunden ablaufen, können die normalen Pulssequenzen des European XFEL nicht abbilden. Dazu ist der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Pulsen zu lang. Zu kürzeren Zeitabständen kann eine Strahlteiler- und Verzögerungseinheit führen, doch am Forschungsinstrument Materials Imaging and Dynamics (MID) des European XFEL fehlt eine solche bislang.

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Ein Teil des zuvor geteilten Pulses wird gegen den andern durch einen Umweg beliebig verzögert. Ergebnis: exakte, reproduzierbare Doppelpulse. Diese sind notwendig, um die dynamischen Eigenschaften von Nanomaterialien mit Anrege-Abfrage-Experimenten zu erforschen. Illustration: Britta von Heintze

Ziel dieses Projekts ist es, eine Strahlteiler- und Verzögerungseinheit für harte Röntgenstrahlung am European XFEL zu entwickeln und in der dortigen Optikhütte des MID-Instruments in Betrieb zu nehmen. Die Einzelkomponenten können in den präzisionsoptischen Laboren an der TU Berlin und an Synchrotronstrahlungsquellen charakterisiert werden. Das Instrument teilt einen Einzelpuls in eine Folge zweier Pulse und macht deren Zeitabstand bis hin zu maximal achthundert Pikosekunden regulierbar, mit einer Genauigkeit von wenigen Femtosekunden. So können auch schnelle Prozesse im Femtosekundenbereich beobachtet werden. Der zweite Puls erreicht sein Ziel später, weil er von Kristallen auf einen Umweg geleitet wird: Mithilfe von sogenannten Bragg-Reflexen am Kristallgitter kann harte Röntgenstrahlung um große Winkel abgelenkt werden. Verglichen mit alternativen Verfahren, die kleine Ablenkwinkel nutzen, bleibt das in diesem Projekt entwickelte Instrument kompakt. Dadurch gewinnt man die nötige Stabilität, um die Verzögerungszeiten über einen großen Bereich sehr präzise regulieren zu können – eine wichtige Voraussetzung für die Erforschung extrem kurzer Prozesse in Nanomaterialien.

 


Jeder Schuss ein Treffer

Erst die separate Belichtung erhellt, wie Nanoteilchen funktionieren und sich funktionalisieren lassen. Was tun, wenn sie immerzu verklumpen? Wie an einer Perlenkette aufreihen!

Projektname: Labor zur Einzelanalyse von funktionellen Nanopartikeln
Projektleitung: Prof. Dr. Eckhart Rühl (FU Berlin); Prof. Dr. Thomas Leisner (Universität Heidelberg)

Einige Nanopartikel sind als funktionelle Bestandteile in neuartigen Materialien, Katalysatoren und biologischen Systemen Gegenstand der Material-, Umwelt- und Lebenswissenschaften. Ihre funktionellen Eigenschaften ergeben sich aus einem Zusammenspiel von Geometrie, elektronischen Eigenschaften und chemischer Reaktivität, für deren Analyse sich Röntgenbeugung und Röntgenfluoreszenz an Freie-Elektronen-Lasern etabliert haben. Könnte man statt wie bisher einen Schwarm je ein einzelnes Nanopartikel mit den FEL-Pulsen bestrahlen, ließen sich Struktur und elektronische Eigenschaften der Einzelpartikel genauer untersuchen, ohne über zahlreiche Partikel zu mitteln. Für solche Experimente müssen die Teilchen individuell in der Bestrahlungszone positioniert werden.

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Perlenkette von Nanoteilchen: Durch diese Präparation im universellen Teilchenspeicher lassen sich Teilchen- und Lichttaktung synchronisieren. So wird jeder Einzelpuls effizient genutzt und das Experiment gewinnt schneller an statistischer Signifikanz. Illustration: Britta von Heintze

Ziel dieses Projekts ist es, einen vielseitig nutzbaren Aufbau zur isolierten Unter­suchung funktioneller Nanopartikel an Freie-Elektronen-Lasern zu schaffen. In einem elektrodynamischen Teilchenspeicher liegen die Partikel im Abstand von einem zehntel Millimeter wie Perlen an einer Schnur aufgereiht. Da sie einfach elektrisch geladen werden, kann mithilfe der Felder je ein Teilchen ins Wechselwirkungs­zentrum hinein und nach Auftreffen des Pulses zur anderen Seite hinaus gelenkt werden, damit das nächste folgen kann. Die Pulstaktung, die bei Freie-Elektronen-­Lasern vorhanden ist, wird somit optimal mit der Teilchentaktung synchronisiert, sodass jeder FEL-Puls genutzt wird. Darüber hinaus werden neuartige Detektoren und Spektro­meter zur Analyse der Röntgenfluoreszenz zu den in der Experimentierkammer bereits vorhandenen Röntgenstreudetektoren hinzugefügt. Aufgrund des modularen und mobilen Konzeptes kann der Aufbau an Freie-­Elektronen-Lasern weltweit eingesetzt werden.

 


Jeder Schuss viele Treffer

Kleinen Nanoteilchen lassen sich nur mit großem Aufwand Informationen entlocken. Eine ultrakalte Falle sortiert die Teilchen nach Masse und Zustand und verspricht mehr Signifikanz.

Projektname: Ultrakalte Probenumgebung für die Rumpfniveau-Photoelektronenspektroskopie massenselektierter Cluster
Projektleitung: Prof. Dr. Karl-Heinz Meiwes-Broer (Universität Rostock)

Cluster bestehen aus wenigen hundert Atomen und bilden den Übergang zwischen großen Molekülen und Festkörpern. An ihnen lässt sich unter anderem studieren, wie Eigenschaften von Festkörpern entstehen. So können einige wenige Atome mehr ausreichen, um einen nicht-metallischen Cluster metallisch werden zu lassen. Solche Ergebnisse liefert die Photoelektronenspektroskopie: Man misst die Energie stark gebundener Elektronen, der sogenannten Rumpfelektronen, nachdem sie ein intensiver FEL-Röntgenblitz aus dem Cluster gelöst hat. Um ausreichend Antwortsignal von den Clustern zu erhalten, benötigt man viele von ihnen. Um ihre Eigenschaften in Abhängigkeit der Zahl ihrer Atome zu ermitteln, muss man sie nach Größe auswählen können. Um auszuschließen, dass sich die Cluster aufgrund verschiedener Quantenzustände unterschiedlich verhalten, sollten sie zudem auch sehr kalt sein.

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Illustration: Britta von Heintze

Ziel dieses Projekts ist es, eine ultrakalte Clusterionenfalle zu konstruieren, worin Cluster gezielt nach Zustand und Atomzahl präpariert werden. Haben sich in der Falle viele hunderttausend Teilchen angesammelt, werden diese durch elektrische Wechselfelder zu Paketen gruppiert und mit den Lichtpulsen synchronisiert. Man gewinnt so aus jedem einzelnen Puls des Freie-Elektronen-Lasers das maximale Mess­signal. Die komplette Experimentierstation ist für das SQS-­Instrument am European XFEL ausgelegt. Nach Projektende ermöglicht sie dort allen Wissenschaftlern, hochangeregte Clusterzustände, die chemische Umgebung von Cluster­atomen und weitere grundlegende Clustereigenschaften zu studieren. Diese Kenntnisse nutzen unter anderem beim Design funktioneller Nanomaterialien, etwa Katalysatoren in Chemie und Industrie.

 


Nanogrooßes Kino!

Neuerdings kann die dreidimensionale Form einzelner Nanoteilchen in Schnappschüssen aufgenommen werden. Hier folgt die Erweiterung auf Filme mit mehr als zwei Bildern.

Projektname: Dynamik einzelner Nanoteilchen in Femtosekunden-Zeitlupenfilmen mit ultrakurzen Röntgendoppelpulsen
Projektleitung: Prof. Dr. Bernd von Issendorff (Universität Freiburg), Prof. Dr. Thomas Möller (TU Berlin), Dr. Daniela Rupp (TU Berlin)

Trifft ein intensiver Röntgenpuls auf ein Nanoteilchen, verändert es sich rasch und stark. Innerhalb von billiardstel Sekunden – quer durch ein menschliches Haar braucht Licht rund hundertmal so lange – lösen sich Elektronen und es entsteht ein Plasma, bis das Teilchen schließlich birst. Kann man ultraschnelle Prozesse wie diesen in einem Zeitlupenfilm abbilden, ergeben sich daraus wichtige Kenntnisse über die Eigenschaften der Partikel und der zugrunde liegenden atomaren Wechsel­wirkungen. Kenntnisse, die neben der Nanophysik auch Forschungsgebiete bereichern, in denen die Anregung und Dynamik kleiner Strukturen untersucht werden – etwa die Photonik oder die Biophysik.

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Im Nanokino wird die Hauptrolle frameweise neu besetzt. Ob zwei Teilchen einander »doublen« können, kann nur im intakten Teilchenzustand entschieden werden. Dank des zweiten Detektors ergibt sich von jedem Teilchen ein Bildpaar. Die erste Momentaufnahme eines jeden Bildpaares wird genutzt, um die intakten Teilchenzustände zu vergleichen. Illustration: Britta von Heintze

In diesem Projekt wird die Bewegung eines Teilchens im freien Flug durch ein neuartiges Verfahren erstmals in einem echten 3D-Film sichtbar gemacht. Dazu werden in Berlin ein System aus zwei vis-à-vis positionierten Detektoren und eine Strahlteiler- und Verzögerungseinheit zur Erzeugung von Doppelpulsen entwickelt und in Ex­perimenten unter anderem an Metall-Nanoteilchen erprobt, welche durch eine speziell hierfür in Freiburg entwickelte Quelle erzeugt werden. Aus gegenüberliegenden Richtungen kommend, treffen die zwei Pulse kurz nacheinander auf ein fliegendes Nanoteilchen. Jeder Puls hinterlässt auf einem separaten Detektor ein Beugungsbild des Teilchens, woraus sich dessen dreidimensionale Form zum jeweiligen Zeitpunkt berechnen lässt.

So erhält man von ein und demselben Teilchen ein Paar aus Schnappschüssen, die wenige Femto- bis sechshundert Pikosekunden auseinanderliegen. Zu diesem Minimalfilm aus zwei Frames kann je ein weiterer Frame hinzugefügt werden, wenn er aus einem Bildpaar eines zu Anfang ähnlichen Teilchens stammt. Der Film wird so immer detaillierter und zeigt schließlich das ultraschnelle Bersten in Zeitlupe. Die Strahlteiler- und Verzögerungseinheit wird an der Experimentierstation CAMP von FLASH als erweiternder Teil dauerhaft installiert. Die Nutzer können dort Anrege-­Abfrage-Experimente erstmals auch mit zwei FEL-Pulsen durchführen, statt wie bisher einen FEL-Puls mit einem optischen Laserpuls synchronisieren zu müssen – eine gute Voraussetzung für neue Einblicke in ultraschnelle Prozesse.

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